Euro-Geldscheine und Münzen liegen auf einem Tisch
Soll Vermögen in Österreich besteuert werden – und wenn ja, wie? Die NGO Attac schlägt ein progressives Steuermodell vor und errechnet so Staatseinnahmen in Höhe von 22 Milliarden Euro.
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Die Reichen werden immer reicher. Dass das nicht nur ein abgedroschener Satz ist, belegt nun eine Berechnung der NGO Attac. Aus dieser geht hervor, dass das Vermögen der österreichischen Milliardäre extreme Zuwächse verzeichnet. Alle sieben Jahre verdoppelt sich dieser Reichtum. Attac hat für seine Berechnungen die Listen herangezogen, die das Magazin Trend zu den 100 reichsten Personen beziehungsweise Familien von 2002 bis 2023 erstellt hat – und in Summe 2200 Daten ausgewertet. Das Ergebnis: Das Vermögen der aktuellen österreichischen Milliardäre ist zwischen 2002 und 2023 im Durchschnitt jährlich um 11,19 Prozent angewachsen.

Tojner, Graf, Stump und Benko

Das Gesamtvermögen der zehn reichsten Österreicher ist zwischen 2002 und 2023 von 24 auf 110 Milliarden Euro gestiegen. Jenes der 100 Reichsten von 46 auf 212 Milliarden Euro angewachsen. Es verfünffachte sich also jeweils. 2002 gab es elf Milliardäre, 2023 waren es 49. Milliardäre wie Michael Tojner, Johann Graf, Georg Stumpf oder (damals noch) René Benko verzeichneten sogar Vermögenszuwächse von mehr als 20 Prozent jährlich. Das Ranking des Vermögenszuwachses führt Unternehmer Tojner an, dessen Vermögen zwischen 2012 und 2023 um 23,3 Prozent gewachsen ist. Mit einem Zuwachs von 22,4 Prozent zwischen 2003 und 2023 steht Novomatic-Gründer Graf an zweiter Stelle. Platz drei geht an Stumpf mit einem Vermögenszuwachs von 21,9 Prozent zwischen 2004 und 2023.

Konzentration von Vermögen

Die Vermögenskonzentration in Österreich ist laut Attac heute schon größer als in jedem anderen westeuropäischen Land. Die Reichsten besitzen dabei zudem eine wirtschaftliche und politische Macht ohne jegliche demokratische Kontrolle. "Das ist Gift für die Demokratie", heißt es in dem Papier von Attac.

"Zahlreiche Beispiele und Chats zeigen, wie die Reichsten ihre Interessen durch Lobbying, den 'Einkauf' von (Ex)-Politikern, Parteispenden, Medienbesitz, Finanzierung von 'Denkfabriken' oder Korruption durchsetzen – und zwar auf Kosten der Mehrheit. Als Folge sehen immer mehr Menschen ihre Interessen gar nicht mehr vertreten. Sie wenden sich von demokratischen Prozessen, Institutionen und politischem Engagement ab oder unterstützen sogar antidemokratische Kräfte", erklärt Kai Lingnau von Attac Österreich. Steuere die Politik nicht dagegen, werde sich allein das Vermögen der reichsten zehn Österreicher in den nächsten zehn Jahren von 110 auf rund 320 Milliarden Euro verdreifachen.

Debatte über Vermögenssteuer

Dass Vermögen in Österreich besteuert werden könnte, kocht in der politischen Debatte immer wieder hoch. Entscheidungen in diese Richtungen sind bisher nicht erfolgt. Attac wiederholt in seiner Berechnung die Möglichkeit einer "progressiven Vermögenssteuer". Dieses Modell orientiere sich an den empirischen Fakten über die Vermögenszuwächse der Reichsten. Beginnend mit einem Steuersatz von einem Prozent über fünf Millionen Euro (trifft die reichsten 0,3 Prozent), steigt die Attac-Vermögenssteuer in vier Stufen bis auf zehn Prozent für Vermögen über einer Milliarde Euro an.

Progressive Vermögenssteuer, berechnet von Attac.
Attac

Diese Berechnung zeigt, dass mit einer progressiven Besteuerung die extremen Vermögenszuwächse der Milliardäre effektiv eingebremst werden könnten. Eine niedrige Vermögenssteuer von ein bis zwei Prozent könnte der aus dem Ruder laufenden Vermögenskonzentration kaum entgegenwirken.

Die berechneten Einnahmen aus dem Attac-Vermögenssteuermodell betragen rund 22 Milliarden Euro pro Jahr – mögliche Steuerumgehungen seien da schon eingerechnet. Damit würde der Anteil vermögensbezogener Steuern am gesamten Steueraufkommen von derzeit 1,4 Prozent auf etwa elf Prozent steigen – ein Wert, den etwa Kanada, Großbritannien oder die USA aufweisen. "Einnahmen von 22 Milliarden Euro ermöglichen dringend nötige Investitionen in Klimaschutz, Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Gesundheit. Sie schaffen Wohlstand und verbessern das Leben aller Menschen. Ohne die Attac-Vermögenssteuer gerät die extreme Konzentration von Vermögen und Macht hingegen völlig außer Kontrolle", sagt Lingnau.

Was bringt eine Vermögensteuer wirklich?
Experten von Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung diskutierten vergangenes Jahr mit der Pharma-Erbin und Aktivistin Marlene Engelhorn und der Chefin des Hayek-Instituts, Barbara Kolm.
DER STANDARD

Gegenmodelle errechnen Jobverlust

Andere Studien kommen wiederum zu dem Ergebnis, dass eine Vermögenssteuer zum Abbau von Jobs führen würde. So hatte etwa das industrienahe Forschungsinstitut Eco Austria zuletzt berechnet, dass eine Vermögenssteuer den Wirtschaftsstandort Österreich stark schwächen würde. Würde ab sofort eine Nettovermögenssteuer ab einer Million Euro eingeführt, erwartet man sich bei Eco Austria fünf Milliarden Euro jährlich für die Staatskasse – und sieht 20.000 Jobs gefährdet.

Damit eine Steuer auf Vermögen oder Erbschaften umgesetzt werden kann, braucht es ein Register für Vermögen. Zudem stellt sich die Frage, wie Unternehmensanteile bewertet werden sollten. Unklar ist auch, wie man Steuerflüchtlinge im Land halten würde, wenn sich die steuerlichen Rahmenbedingungen verschärfen. (Bettina Pfluger, 6.5.2024)