Kunstbiennalle Innsbruck International
"Dolly", 2024, ein präparierter Habicht, bevölkert zusammen mit lauter anderen gefiederten Freunden den "Garten der Lüste" in Innsbruck.
Steinbrener/Dempf & Huber

Die Amsel, die Sie morgens um halb fünf Uhr aus dem Schlaf zwitschert? Ein Spion. Der Spatz, der auf der Hochspannungsleitung sitzt? Lädt gerade seinen Akku auf. Die US-Regierung hat nämlich alle Vögel abgemurkst und durch gefiederte Kopien ersetzt, die Überwachungsdrohnen sind. Mit dieser irrwitzigen Behauptung trat Anfang 2017, es war die Zeit der Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident, ein Collegestudent an die Öffentlichkeit und gründete die Bewegung "Birds aren't real" (Die Vögel sind nicht echt), eine höchst erfolgreiche Parodie auf Verschwörungstheorien und Fake-News-Fabrikanten.

Darauf referiert "Angie", ein ausgestopfter Rabe, der anstelle eines Kopfes ein Kameraobjektiv vor sich herträgt. Er ist nicht die einzige Kreatur, die den vom Künstlerkollektiv Steinbrener/Dempf & Huber auf den Innsbrucker Marktplatz gepflanzten "Garten der Lüste" bevölkert. Vor der alpinen Kulisse geben die an die Leine der Zivilisation gelegten und unter Glasstürze gestellten Tierpräparate eingängige Anschauungsobjekte für das Verhältnis zwischen Mensch und Natur ab.

Dieses Verhältnis ist bekanntlich genauso gestört wie die Weltlage allgemein: Klimakrise, Krieg, taumelnde Demokratien, you name it. Die jüngste Ausgabe der von Tereza Kotyk, Franziska Heubacher und Chris Clarke kuratierten Biennale Innsbruck International setzt den multiplen Krisen der Gegenwart den Titel "Heaven can wait" entgegen.

Von Bosch bis "Black"

Man kann das als Verweis auf die menschliche Hybris verstehen oder als Zeichen der Hoffnung, dass wir doch noch die Kurve kriegen. Sprich: Das Glas ist halbvoll, auch wenn das Reh halbiert ist. Steinbrener/Dempf & Huber lassen einen Astronauten ist den Rumpf des Tieres spechteln, womöglich sucht er neue Galaxien, zu entdecken gibt es jedenfalls kunsthistorische und popkulturelle Bezüge von Hieronymus Bosch bis Men in Black.

Keine große, zentrale Schau, sondern viele über die Stadt verteilte Ausstellungen, zu finden in teilweise erstmals öffentlich zugänglich gemachten Räumen: Dieses Konzept macht einerseits den Reiz der Biennale aus, birgt aber auch die Gefahr, übersehen, wenn nicht gar überrollt zu werden. Am Eröffnungswochenende war das beim Artspace RFDInsel der Fall, man fand ihn dicht von den Zelten und Biertischen eines Sportevents umstellt. Hinein lockt Michael Heindls ironische Auseinandersetzung mit dem menschlichen Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit. Die Schwimmwesten unter dem Flugzeugsitz betrachtet Heindl eher als Placebo und verarbeitet sie zu Buchobjekten, die ans Reclam-Design angelehnt sind und die er mit pseudophilosophischen Titeln wie Thoughts on Birds oder Troubleshooting with Hegel ausstattet: makabre Lektüre-Empfehlungen für die letzten Sekunden im Leben.

Mit Arbeiten von Jasmina Cibić, Tue Greenfort und Sophie Gogl schweift man thematisch in viele Richtung aus, eine Entdeckung sind die aus Holz, Stoff und Latex gemachten, rätselhaften Flügelwesen von Erica Pedretti in der Galerie A4. Die 2022 gestorbene Schweizerin ist als Literatin (und Bachmann-Preisträgerin des Jahres 1984) eher bekannt denn als bildende Künstlerin, trat aber schon in den 1970er-Jahren auch mit fisch- und vogelähnlichen Skulpturen sowie mit feingliedrigen Zeichnungen an die Öffentlichkeit, die jetzt erstmals in größerem Umfang in Österreich zu sehen sind.

Niedliche Version

Noch ein Highlight aus dem Biennale-Bestiarium findet sich im mittelalterlichen Bischofshaus, wo die Geschichte der Hexendarstellung und -verfolgung auf Schmetterlingsflügeln und in einer Rauminstallation von Christian Kosmas Mayer daherkommt. Ins performative Feld greift das Festival schließlich mit Tänzerin und Choreografin Doris Uhlich aus, die mit dem Kinderchor des Landestheaters eine etwas zu verniedlichte Version ihres Stücks Sonne erarbeitet hat. Der nächste Streich folgt am 17. Mai mit Uhlichs Sun Site Specific auf dem Bergisel, wo bekanntlich der Mythos vom rebellischen Tiroler wohnt. Andreas Hofer wird Augen machen. (Ivona Jelcic, 6.5.2024)