Hausaufgaben mit ChatGPT erledigen, die E-Mail im Büro vom Bot schreiben oder den Programmcode durch die Maschine machen lassen. Vor allem über die KI-Erfindungen von OpenAI wird viel diskutiert: ChatGPT, DALL-E und ganz aktuell Sora, der Text-to-Video-Chatbot. Unternehmen streichen Mitarbeiterstellen, Universitäten überdenken ihre Prüfungssysteme, und ganze Branchen fürchten sich oder frohlocken ob der KI-Zukunft. KI selbst ist aber an vielen anderen Orten längst im Einsatz. Und KI stammt nicht nur von OpenAI.

KI ist aus vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken.
Getty Images

Bessere Materialien und Legierungen durch KI-Forschung?

Im Dezember hat Googles KI Deepmind circa 2,2 Millionen neue Stoffe beziehungsweise Materialkombinationen für die Materialforschung erstellt. Knapp 381.000 der erforschten Substanzen sollen so stabil sein, dass sie sich nicht zersetzen. Diese werden nun eingehend erforscht auf praktische Umsetzbarkeit in Industrie und Wirtschaft. Man denke an reißfestere Kleidungsmaterialien, besser isolierende Stromkabel, leitfähigere Metallmischungen für Smartphone-Chips, kratzfeste Legierungen und so weiter.

Das Beeindruckende: Allein die Masse der Ergebnisse übertrifft den jährlichen Output der menschlichen Forschung um ein Vielfaches. Laut Google basierte die zugrunde liegende Arbeit der Deepmind-KI auf zwei Prozessen: zum einen ein Textmining-Tool, welches bekannte Studien über chemische Stoffe durchsuchte und daraus lernte. Zum anderen aus einer Datenbank, die neuartige, theoretisch erzeugbare und vor allem an der Luft stabile Stoffe dokumentiert.

Natürlich könnte man hier entgegenhalten, dass diese neuen Materialien aus einem technischen Randomizer stammen. Deepmind knallt so lange zufällig Kombinationen zusammen, bis etwas funktioniert. Das wäre aber für die Systematik zu kurz gegriffen, da einerseits echte Zufälligkeit für technische Systeme nach wie vor fast ein Ding der Unmöglichkeit darstellt und andererseits das Textmining ja gerade dazu dient, eben nicht zufällig, sondern zielgerichtet Kombinationen vorzuschlagen. In jedem Fall bieten sich hier reizvolle bis bahnbrechende Möglichkeiten, die Materialforschung auf eine neue Ebene zu heben.

Robo Advisor: kein unbekannter Helfer mehr

Im Zeitalter von Inflation und Geldschwierigkeiten steigt bei allen Bevölkerungsgruppen das Interesse an Anlagen ständig an. Wer auf Vergleichsplattformen wie Capitalo die verschiedenen Geldanlagen im Vergleich gegenüberstellt, wird schnell merken, dass die Auswahl groß ist. Der typische Anlageberater hat sich mittlerweile digitalisiert. Das Stichwort heißt Robo Advisor. Diese Tools übernehmen für Sparende die Geldanlage komplett. Dabei arbeiten sie vermehrt mit KI-Systemen, um die Ergebnisse zu perfektionieren.

Seit Jahren setzen Banken bereits auf Robo Advisor, um Investitionsprognosen basierend auf statistischen Hochrechnungen abzugeben, aber auch weiterführende Aufgaben zu erledigen. Momentan wird vieles mit dem Schlagwort KI im Finanzwesen zusammengefasst. Die Funktionalität ist dabei an sich sehr einfach: Der Robo Advisor wird von Algorithmen gesteuert und ermittelt anhand gemachter Angaben das perfekte Portfolio für die Anlegerinnen und den Anleger. Dabei werden Fragen wie die eigene Risikobereitschaft in den Fokus gestellt. Sobald Kundinnen und Kunden ein vorgeschlagenes Portfolio akzeptiert haben, schreitet der Robo Advisor zur Tat. Er eröffnet das Depot, kauft ETFs und andere Anlagen und verwaltet das Portfolio autark. Mit "Savity" stammt eines der EU-weit bekanntesten Robo-Advisor-Programme aus Österreich, allerdings kommen immer mehr Start-ups und Neuheiten hinzu.

Zusammenleben mit Künstlicher Intelligenz

Die plaudernde Alexa auf dem Wohnzimmerschrank ist längst keine Besonderheit mehr. Wie viel KI in diesen Systemen steckt, ist den meisten Menschen aber gar nicht bewusst. Mit der ständigen Weiterentwicklung von Smarthomes rückt das Zusammenleben mit der KI näher. So können Saugroboter heute nicht mehr nur anhand von Sensoren ihren Weg einnehmen, sie entwickeln sogar eigens einen Putzplan nach der individuellen Beschaffenheit des Hauses.

In Österreich existierten im Jahr 2022 rund 1,1 Millionen Smart Homes, Tendenz steigend. Der Markt ist vorhanden, und dank KI lässt sich der Komfort deutlich optimieren. Intelligente Kühlschränke sind in der Lage einzukaufen, wenn die Milch zu Ende geht oder der Käse nicht mehr haltbar ist.

Werbung mit KI

Übersetzer und Übersetzerinnen fürchten um ihren Job durch KI, und auch in der Marketingszene macht sich Sorge breit. Wird die Künstliche Intelligenz alles an sich reißen und den Menschen unnötig machen? Eher nicht, allerdings verändert sich die Art zu arbeiten für Marketingexpertinnen und Marketingexperten deutlich. Mit KI wurde ein "Wundermittel" geschaffen, das die Interessen der Zielgruppe besser denn je definieren kann.

Misserfolge in der Werbung entstehen vor allem dadurch, dass die Zielgruppe sich nicht für den Spot oder die Kampagne interessiert. Ein kostenintensives Problem für Marketer. Durch Nutzung von KI lässt sich statistisch besser analysieren, was die Zielgruppe erwartet und welche Kampagnen gut ankommen, denn KI-Systeme arbeiten ausschließlich mit den zugrunde liegenden Daten und haben keine eigene Meinung. Bei der kreativen Ausarbeitung ist die Künstliche Intelligenz allerdings weniger geeignet als gedacht. Den "perfekten" Slogan schreiben die menschlichen Marketer aber noch, aber die KI holt laut aktueller Studien auch hier stark auf.

KI kommt vor allem da zum Einsatz, wo redundante Arbeiten warten. Das ist zum Beispiel beim E-Mail-Marketing der Fall, aber auch beim Copywriting und vielen administrativen Aufgaben, beispielsweise in Rechnungswesen und Verwaltung.

Auch im Bereich Videogenerierung gibt es einiges Optimierungspotenzial. Neben Anbietern wie Synthesia, Runway oder Adobe sorgt hier vor allem das Text-to-Video-Modell Sora von OpenAI aktuell für Furore. Hier bieten sich ungeahnte Möglichkeiten für Werbung, denn TV-Spots beispielsweise können pixelgenau abgestimmt, zeitlich geplant, belichtet, geschnitten und vorbereitet werden, um genau den gewünschten Effekt für das zu bewerbende Produkt zu erzielen und ohne überhaupt einen einzigen Statisten, eine Location oder anderes zu brauchen:

OpenAI

Wenn KI die Ärzteschaft unterstützt

Der Ärzteengpass ist heute nicht mehr nur auf dem Land spürbar. Die urbane Bevölkerungsdichte nimmt zu, die Ärztedichte nimmt ab. Das ist eine große Herausforderung und reduziert die Zeit, die den Medizinerinnen und Medizinern für die Behandlung bleibt. Eine Erkältung zu behandeln, ist problemlos in kürzester Zeit möglich. Geht es aber um komplexe Diagnosestellungen, fehlt schlicht die Zeit, um alle Eventualitäten zu bedenken. KI-Anwendungen können hierbei Abhilfe schaffen.

Trainiert mit unzähligen Patientendaten helfen sie dabei, Labor-Ergebnisse zu analysieren, Röntgenbilder zu interpretieren und anhand von Mustern bestimmte Diagnosen zu ermitteln. Natürlich müssen hier Themen von Privatsphäre und Datenschutz geklärt werden, denn es gilt in Europa: Ohne Zustimmung der Patienten geht nichts. Die Vorteile solcher automatisierter Verfahren liegen aber nah: Ärzte erhalten mehr Zeit, sich auf den Behandlungsplan zu fokussieren.

Bei der Erstellung von Befunden ist die KI ebenfalls ein zuverlässiger Mitarbeiter. Waren es früher noch medizinische Schreibkräfte, die Texte Wort für Wort nach Diktat abtippten, erstellt die KI schriftliche Befunde heute selbst. Der Mensch ist nur noch für die Kontrolle zuständig, verbessert Fehler und achtet darauf, dass das System sauber arbeitet. Die Schreibarbeit war und ist ein großes Problem für Medizinerinnen und Mediziner, aber auch für die Pflege. Ist die KI hier in der Lage zuverlässig Abhilfe zu schaffen, wird das die Zeit für Patientinnen und Patienten womöglich erhöhen.

Ist KI mehr als nur ein Chatbot?

So sympathisch ChatGPT plaudert und die Suchmaschinen-Recherche für Internetnutzer übernimmt, so wenig spiegelt der Bot die tatsächliche Fähigkeit von KI wider. Nicht umsonst gilt heute der Leitspruch: Daten sind das neue Gold. Das könnte wahrer nicht sein, denn Daten – in diesem Fall Trainingsdaten – sind die Grundlage, auf denen Bots wie ChatGPT aufbauen. Die Fähigkeit, Algorithmen zu entwickeln und Daten innerhalb kürzester Zeit zu analysieren, ist die Grundlage dessen, wie Robo Advisor, künstliche Doktoren, KI-Systeme und vieles mehr funktionieren.

Anfangs dachten viele Menschen, dass KI nur "wieder ein Technikhype" ist, allerdings ist heute klar, dass es eine ebenso wichtige und bahnbrechende Innovation sein wird wie das Internet selbst. Kommt das Potenzial erst in den Köpfen der Menschen an, wird das Bewusstsein dafür erweitert. Dabei darf die Fehleranfälligkeit solcher Systeme nicht in Vergessenheit geraten. KI ist auf dem Vormarsch, aber sie bietet auch Risiken. Einen völligen Ersatz des Menschen wird es heute und später wohl kaum geben. (Christian Allner, 6.5.2024)