Bunte Zuckerl
Auf Wählergewinn ausgerichtet: die Wahlzuckerln.
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Was wäre ein Wahlkampf ohne die Warnung vor den budgetzersetzenden Gefahren politischer Douceurs namens Wahlzuckerln! Diese zu benennen war höchste Zeit, und erfreulicherweise kam diesmal der hochlöbliche Fiskalrat in der Inkarnation seines Präsidenten dem sonst üblichen Hickhack der Parteien zuvor, womit die Warnungen an Dramatik gewannen. Besagter Rat beschwor nicht nur süße Gespenster aus der Vergangenheit seit 2008, er lieferte erstmals auch eine seriöse Definition des Phänomens Wahlzuckerl.

Wahlzuckerln sind demnach "Beschlüsse, die im Kalenderjahr einer Nationalratswahl getroffen wurden und entweder nur von einer Regierungspartei mitgetragen oder im Koalitionsprogramm nicht vorgesehen waren". Es handelt sich dabei um eine Loslösung des Begriffs von seinem Inhalt, wäre doch dasselbe Wahlzuckerl zwei Monate vor Eintritt eines Wahljahres und von beiden Regierungsparteien getragen wundersam vom Fluch seiner Zuckerlhaftigkeit erlöst und womöglich zu einem seriösen Wahlversprechen geadelt. Auf Basis dieser Definition konnte DER STANDARD schreiben: "4,1 Milliarden Euro kosten diverse Wahlzuckerln aus den Jahren seit 2008", die Kleine Zeitung hingegen: "Wahlzuckerl seit 2008 kosteten 31 Milliarden Euro." Im Zuckerlgeschäft muss man diese Differenz nicht überschätzen, Hauptsache, die Wähler kennen sich aus.

Wahlzuckerlverkäufer mit Weitblick

All diese Berechnungen beziehen sich auf eine Zeitspanne von gut anderthalb Jahrzehnten. Selbst wenn man die Grazer 31 Milliarden durch 15 dividiert, kommt dabei weniger heraus, als die Verteidigungsministerin in einem Jahr ausgibt, was den Warnungen des Fiskalrates doch etwas von ihrer Eindringlichkeit nimmt. Woran auch dessen Klage nichts ändert, dass die Wahlzuckerln als dauerhaft eingesetzte Entlastungen lange fortwirken. Wenn das etwas beweist, dann den Weitblick der Wahlzuckerlverkäufer, denen sonst meistens der Vorwurf kurzfristigen Opportunitätsdenkens gemacht wird. Wären Wahlzuckerln immer so falsch, wie ihr Ruf schlechtgemacht wird, wären sie als "Dauerbelastung des Budgets" längst wieder gestrichen.

"Die moralische Verwerflichkeit des Wahlzuckerls wird vorzüglich dann entdeckt, wenn eher weniger begüterte Schichten der Bevölkerung in seinen Genuss kommen sollen."

Es liegt im Wesen des Wahlzuckerls, auf Wählergewinn ausgerichtet zu sein, was demokratiepolitisch nicht verwerflich ist, aber dazu führt, dass der Begriff mindestens ebenso sehr der Politikpolemik wie der Fiskalpolitik verbunden bleibt. Die moralische Verwerflichkeit des Wahlzuckerls wird vorzüglich dann entdeckt, wenn eher weniger begüterte Schichten der Bevölkerung in seinen Genuss kommen sollen: die Pensionserhöhungen, die Senkung der Umsatzsteuer auf Medikamente, das Schulstartgeld, vormals 13. Familienbeihilfe, um nur einiges zu nennen. Aber klar, es gibt auch giftige Wahlzuckerln, wie einst die Gleichschaltung der Gesundheitskasse oder jetzt die 41-Stunden-Woche mit Streichung von Feiertagen. Einfach süß, wie Karl Nehammer die Wähler nun vor Karoline Edtstadler beschützen darf.

Vom Fiskalrat vernachlässigt blieb die Variante des persönlichen Wahlzuckerls, wie es die ÖVP mit Sebastian Kurz serviert hat, wovon allen noch immer schlecht ist. Und auch ein Volkskanzler lässt sich als Wahlzuckerl nur so lange vermarkten, bis der Möchtegern-Rachenputzer am System als ausgelutschte Krachmandel erkannt wird. Ein Fiskalrat ist eben kein Personalrat. (Günter Traxler, 26.4.2024)