Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche, mit ikonischem Walrossbart und in den USA als "Dr. Z"– sprich: "Sieee" – von landesweiter Bekanntheit, hat einen noch prominenteren Gast an seiner Seite: Arnold Schwarzenegger. Die Herren parlieren ein wenig, sind launig gestimmt, zur Doppelconférence wird Zirberl gereicht, und dann fragt "Arnie", ob es auch eine elektrische Version geben werde. Zetsche: "Stay tuned", eine Art "schmeck’s" mit Realisierungspotenzial.
Das war im Januar 2018 in Detroit, im legendären Michigan Theatre, wo einst Henry Ford sein erstes Vehikel konstruiert haben soll und späterhin Stars wie Duke Ellington und Frank Sinatra auftraten, und der Anlass war die Weltpremiere der G-Klasse in zweiter, aktueller Generation.
Was lange währt: Mehr als sechs Jahre später, der Laden heißt nicht mehr Daimler-, sondern Mercedes-Benz, Konzernchef ist der schwedische Margenmaximierer Ola Källenius, ist es so weit, steirische Eichen sind eh geduldig, die G-Klasse trumpft elektrisch auf und setzt sozusagen das Gelände unter Strom.
Es ist diesmal ein anderer geschichtsträchtiger Ort, näher dran an der Geburtsstätte: Der einstige Nittner-Fliegerhorst am Grazer Flughafen, seit dessen Schließung als "Airbase One" verwertet und unter anderem für Abholer der bei Magna gebauten G-Klasse genutzt zum bodenkontaktigen Konturenflug, zum Antesten der Geländefähigkeiten – in manchen Fällen womöglich der einzige Ausritt ins Gelände in den Händen seiner Kundschaft überhaupt.
Doch das ist ein anderes Thema, Thema hier ist die erste streng geheime Begegnung mit dem "G 580 mit EQ-Technologie", so der sperrige Name der elektrischen G-Klasse, es ist früh im März und noch sieben Wochen hin, bis wir darüber berichten dürfen, die erstaunlich lange Sperrfrist hängt mit der Weltpremiere auf der Automesse in Peking zusammen, da verblassen die reichlich gewonnenen Eindrücke, rasch den Schummelzettel zur Hand nehmen, den Notizblock.
Gleich wird die Erinnerung wieder klar: Die haben doch tatsächlich das Bernstein-Insekt mitgebracht nach Graz, das in Detroit schon für Furore sorgte: Die alte G-Klasse, in einen Kunstharz-Würfel gegossen, sieht aus wie Bernstein. Und schon sind wir wieder bei der Elektrizität. Bernstein heißt auf Altgriechisch Elektron, er hat unter andrem die Eigenschaft, sich durch Reibung elektrostatisch aufzuladen.
Bin laden
Nicht durch Reibung, sondern durch Steckung lädt sich der Elektro-G auf, und zwar wie folgt und wie von Manuel Urstöger, verantwortlich für die Elektromotoren, im zugehörigen Workshop erläutert: Die unterflur verbaute, ungefähr 200 kg schwere 116-kWh-Batterie (netto) – Mercedes setzt im G noch auf 400-Volt-Technologie – kann bei Nutzung der maximalen Ladeleistung von 200 kW in 32 Minuten von zehn auf 80 Prozent Ladestand gebracht werden, bei 11 kW Wechselstrom sollte man sich von null auf 100 Prozent knapp zwölf Stunden Zeit nehmen. Ach du kalter Kaffee ...
Geschützt vor den Unbilden nicht glattgewalzten Untergrunds ist das in den Leiterrahmen integrierte Energiepaket durch einen 26 mm dicken, auch steinsicheren Unterbodenschutz aus Karbon, doch damit sind wir schon bei den fragwürdigen Superlativa: 3085 kg Leergewicht, gute Güte, das sind rund 400 kg mehr als sonst; unter dem Aspekt logisch: Anders als bei den Verbrenner-Versionen hat die E-G-Klasse keine Anhängekupplung; und bei 3,5 Tonnen zulässigen Gesamtgewichts sollten die vier Insassen tunlichst die US-Fullsizetypen-Durchschnittsmasse unterschreiten, um noch ein bisschen Zeugs mitnehmen zu können, zum nächsten Ausritt auf den Pikes Peak beispielsweise.
Oder auf den Schöckl, den Grazer Hausberg, wo alle Gs, auch der elektrische, auf Herz und Nieren geprüft werden. Es gibt zum Facelift der G-Klasse, in deren Rahmen nun eben die E-Version hinzukommt, sogar ein nettes Designpaket "Schöckl-proved", und die wichtigste Nachricht für die "G 580 mit EQ-Technologie"-Klientel: Mit einer Akkuladung kommt man 14-mal den Schöckl rauf und runter. Wie weit sonst? Laut Testzyklus maximal 468 km weit, kostet G-Diesel-Fahrern ein müdes Lächeln, und damit zurück zum Motorenmann.
Man habe sich für vier Stück entschieden, so Urstöger, jeder leiste 108 kW, und das mechanische Zweiganggetriebe inklusive Doppelinverter an jeder Achse diene dazu, dass die permanenterregten Synchronmaschinen bei Langsamfahrt nicht warm würden, Stichwort: Geländeuntersetzung.
Das Mantra "Der G bleibt der G", durch alle Zeitgeister, ist erstens noch ungegendert und wurde zweitens mit höchstem Aufwand zu erfüllen versucht, um auch elektrisch "uneingeschränkte Geländetauglichkeit" zu ermöglichen. Denn wie heißt es so schön zur G-Klasse? "Das einzige Limit ist die Fahrerin, der Fahrer", die fürchten sich mitunter, wo der G noch keinerlei Anzeichen von Respekt zeigt.
Weitere Insignien, den selbstgestellten Anspruch des "besten Geländewagens der Welt" auch im Mobilitätswendeformat zu erfüllen: Statt 70 cm Wattiefe bei den Verbrennerversionen schafft der hier 85, die Bodenfreiheit beträgt in Wagenmitte 23,8 cm, mechanische Differenzialsperren wurden verworfen zugunsten von virtuellen an allen vier Motoren und notfalls kann diese G-Klasse durch sogenannten G-Turn vulgo Panzerwende praktisch am Stand wenden. In Summe also: Elektrisch ist der G auf den Punkt gebracht. Heinz Erhardt – "alles mit G" – hätte auch sein Gaudium.
Kurz noch zur Einordnung in Stückzahlen: 42.000 G wurden 2023 weltweit verkauft, die Nachfrage ist anhaltend immens, Folge war: Bestellstopp. Die elektrische G-Klasse kommt im Juni zu uns, Preise von 146.990 bis 197.312 Euro stehen im Raum, und mit rund 60 E-Gs von heuer insgesamt 200 zu erwartenden Fahrzeugen rechnet Mercedes-Österreich-Sprecherin Michaela Burgstaller-Stritzinger. Darunter ist vielleicht auch einer für "I’ll be back" Schwarzenegger. Und global erwartet Mercedes in einem ersten vagen Schätzwert ein Drittel elektrischer am G-Gesamtabsatz. (Andreas Stockinger, 1.5.2024)