Es gab eine Zeit, da stolperten wohl die meisten Wandersleut im Wienerwald früher oder später in dieses Gasthaus mit dem etwas zu knallig geratenen Schönbrunner Gelb. Doch kurz nach der Jahrtausendwende beschloss man im Richardhof, den Betrieb nur noch für geschlossene Gesellschaften weiterzuführen. Acht Jahre lang gab es dann überhaupt keine Gastronomie mehr in dem verwaisten Ausflugslokal. Auch die Schilder am Beginn der langen Allee von der Mödlinger Straße hinauf zu dem weitläufigen Areal mit Golfplatz und Reithof waren zeitweise verschwunden.

Ende 2023 kehrte überraschenderweise Leben zurück in die Gaststube. Isabella und Michael Funk haben es dem alten Wirtshaus eingehaucht, vorerst nur im Rahmen eines Pop-ups von vergangenem Oktober bis Dezember – seit kurzem hat es wieder den regulären Restaurantbetrieb aufgenommen.

Die gelbe Fassade des Richardhof
1859 erbaut und einst weithin bekannt, aber fast ein Vierteljahrhundert ohne Laufkundschaft: der Richardhof.
Sascha Aumüller

Die Geschwister Funk als Wirtsleute kannten bislang vermutlich nur wenige Menschen aus dem Speckgürtel oder aus Wien. Der Grund dafür ist naheliegend. Die beiden betreiben unter anderem das fast ausschließlich von Touristen frequentierte Lokal Chattanooga in bester Lage am Beginn des Wiener Grabens. Sich dort um bis zu 600 hungrige und durstige Menschen auf eiligem Citytrip zu kümmern, ist eine ebenso gute wie harte Schule, die Isabella Funk seit zehn Jahren absolviert. Es macht sich bezahlt, wie auch Gäste bemerken werden, die den Richardhof nach so vielen Jahren wieder einmal heimsuchen.

Möglich ist das unter anderem im Rahmen eines üppigen Brunchs, der hier sonn- und feiertags zwischen 10 und 15 Uhr angeboten wird. Aber nicht gleich schrecken beim Abstellen des Autos auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz vor dem Endlich-wieder-Ausflugsgasthaus: Die fünf Euro fürs Tagesticket bekommt man von den Wirtsleuten von der Rechnung abgezogen. Anders scheint das bislang nicht möglich zu sein.

Büffet im Gastraum des Richardhof
Das üppige Brunch-Buffet in noch üppigerem Interieur.
Sascha Aumüller

Der erste Rundgang durch die frisch renovierten Innenbereiche hinterlässt einen gemischten Eindruck: Im Anschluss an die modernisierte Bar liegen mehrere Gastzimmer in englischem Landhausstil mit Holzkassetten in dunklen Salbeitönen, die als gelungene Veredelung des Altbestands durchgehen. Aber noch verstellen einfach zu viele alte Versatzstücke wie ein Buffet auf Holzrädern, das vermutlich gerade aus einer urigen ungarischen Csárdás gerollt kam, den Blick auf das Geschmackvolle.

Auch im Freien auf der ansprechenden Terrasse lässt man sich vorerst eher wegen des sonnigen Wetters und des ungehinderten Grünblicks nieder als nur wegen der Möblierung. Die ist gelinde gesagt schon ziemlich ranzig. Doch das Bemühen, ein derart monströses Anwesen wie den Richardhof in wenigen Wochen wieder herzeigbar zu machen, ist an allen Ecken und Enden zu spüren. Es wird auch so schnell kein Ende nehmen, wie die Pläne für die Renovierung von zwölf Hotelzimmern bestätigen, die Gästen in Zukunft wieder zur Verfügung stehen sollen.

Missliche Lage gut gemeistert

Einen wirklich positiven Eindruck von den neuen Gastgebern gewinnt man, wenn einem Frau Funk und ihre im Laufschritt servierende Mitarbeiterin beichten, dass heute leider alles etwas länger dauern kann, weil die gesamte Küchenmannschaft ausgefallen ist. Denn trotz der misslichen Lage stehen dann nur fünf Minuten, nachdem die Entschuldigung kam, schon drei unterschiedliche Eiergerichte, die man zum Brunch à la carte bestellen kann, frisch und in bester Qualität auf dem Tisch. Auch, dass man sich extra für eine nicht verfügbare Brotsorte entschuldigt, kennt man so gar nicht von Ausflugslokalen. Und wenn immer ein Teller vom Buffet leergegessen wurde, lugt eine der beiden Frauen schon um Eck, serviert ab und fragt nach, ob etwas fehlt.

Die Fassade des Richardhof in Gumpoldskirchen
Alte Bäume und Möbel stehen auf der großen Terrasse vor dem Richardhof.
Sascha Aumüller

Bei den kalten und warmen Gerichten für den Brunch wagt das neue Team im Richardhof zwar kaum Experimente, die angebotenen Produkte und Speisen sind aber von sehr guter Qualität. Das ist allein schon deshalb erwähnenswert, weil für den hier fälligen Pauschalpreis von 49 Euro pro Person anderswo leider allzu oft Buffets zusammengestellt werden, die eher an einen Spontankauf beim Diskonter erinnern. Nicht so im Richardhof, wo alleine die Käsepalette bemerken lässt, dass man Wert legt auf eine liebevoll zusammengestellte Auswahl. Auch der inkludierte Free-Flow-Prosecco könnte deutlich schlechter sein, weil die Wirtsleute befürchten müssen, dass er – weil kostenlos – in Strömen fließt.

Als grundsympathisch werden wohl die meisten Gäste die Anfeuerung durch die Funks empfinden, man solle möglichst lange bleiben, um möglichst viel zu kosten. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie weit man selbst mit vollem Magen durchhalten möchte. Hier noch ein ausgelöstes Backhendl als fünften Gang, dort eine Miniportion Rindfleischsalat als sechsten. Hauptsache, das hervorragende Kalbsgulasch hat noch Platz! (Sascha Aumüller, 5.5.2024)