Demenz verläuft in Phasen. Diese Phasen dauern bei jedem Menschen unterschiedlich lange, jeder Mensch verhält sich in den unterschiedlichen Phasen hochindividuell. Immer wieder wird Demenz mit "Dahinvegetieren", "Siechtum", "Verblödung" abgetan und die Menschen, die an Demenz erkrankt sind, dadurch entwürdigt. Mittlerweile gibt es im klinischen Bereich etliche Testverfahren, die die unzähligen Varianten, Ausprägungen und Färbungen einer Demenzerkrankung widerspiegeln. Noch eindrücklicher als jedes Testverfahren aber ist die Begegnung mit Menschen mit Demenz.

Demenz Meet

Demenz Meet Wien 2024
Demenz Meet Wien 2024: gemeinsam zeigen, dass auch Menschen mit Demenz politisch aktiv sind und gehört werden müssen.
Caritas Wien

2017 fand in Zürich das erste Demenz Meet statt. Daniel Wagner, selbst pflegender Angehöriger seines an Demenz erkrankten Vaters, initiierte dieses erste Demenz Meet, um einen Ort der Zusammenkunft für Menschen mit Demenz, ihre An- und Zugehörigen, Fachpersonen und für am Thema interessierte Menschen zu bieten und Vernetzung zu fördern. Einen solchen Ort gab es zwischen 2002 und 2012, der Zeit, in der er seinen Vater begleitete, nicht. Diese zehn Jahre hatten Spuren bei ihm hinterlassen. Immer wieder suchte Wagner nach Informationen, Unterstützung und Hilfe – ohne Erfolg. Seit 2012 hat sich vieles verändert. Menschen informieren sich mittlerweile digital. Früher waren es die Hausärzte und medizinischen Institutionen, die die Menschen um Rat fragten.

Heute informieren sie sich über Google, Facebook und Youtube. Dieser Umstand veranlasste Wagner, Facebook-Gruppen für An- und Zugehörige, aber auch für Betroffene ins Leben zu rufen. Rasch entsponnen sich Netzwerke, und die Idee zum ersten "Demenz Meet" in Zürich war geboren. Mittlerweile gibt es die Demenz Meets neben der Schweiz auch in Deutschland und Österreich. Sie alle haben den Anspruch, leichte Stunden zu einem schweren Thema, Begegnungen auf Augenhöhe, Trost und Vernetzung, Inspiration und Stärkung zu bieten. All das ist möglich, wenn Betroffene, Angehörige, Fachleute und am Thema interessierte Personen zusammentreffen.

Demenz Meet Wien

"Eigentlich wollte ich da nie hingehen, in das Tageszentrum. Ich hab's aber meiner Tochter versprochen. Ich habe ihr gesagt, ich schau es mir dreimal an. Na gut, die ersten beiden Male waren so lala. Beim dritten Mal hab ich sie dann gesehen ..." Herr Reiser blickt seine Verlobte lächelnd von der Seite an. "Du bist reingekommen und hast gelacht. Du warst so fröhlich, hast alle begrüßt, und da hab ich gewusst, dass ich öfter hierherkommen werde." Frau Noe schmunzelt, als sie ergänzt: "Ich hab mich dann an den Nachbartisch gesetzt und ... hilf mir, ich hab's verloren." – "Wir haben Blickkontakt aufgenommen", ergänzt Herr Reiser. Er ist nach einem Schlaganfall und dem Tod seiner Lebensgefährtin ins Tageszentrum gekommen, um wieder in Gesellschaft zu sein. Frau Noe ist an Demenz erkrankt, noch ist ihre Krankheit in einem frühen Stadium.

"Es ist nicht immer einfach", sind sich beide einig. "Wissen Sie, ich hab oft etwas im Kopf, möchte etwas sagen, aber dann fällt es mir nicht ein. Aber mit ihm (zeigt auf Herrn Reiser) habe ich das Gefühl, zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich jemanden habe, der mich auch ohne Worte versteht." Wie es sein wird, wenn die Demenz schlechter wird, wissen sie nicht, sagen beide. Aber das ist ihnen jetzt auch nicht wichtig. "Seit ich mit ihr zusammen bin, lebe ich jeden Augenblick intensiv. Wir genießen das Leben intensiv. Diese Intensität war vorher nie da, musste aber auch nie sein." Herr Reiser blickt Frau Noe an und lächelt. Die beiden haben sich vor etwas mehr als einem Jahr im Tageszentrum kennengelernt und werden im Frühsommer heiraten. Zwei Tage nach ihrer Hochzeit werden sie das diesjährige Demenz Meet Wien 2024 eröffnen.

"Mein Traum ist eine Alzheimer-Band", rief Stefan Koroschetz beim Demenz Meet 2023 ins Publikum. Tosender Applaus folgte. Ein Jahr später, beim Demenz Meet 2024, wird Stefan Koroschetz, Musikenthusiast, Musikjournalist und Mitglied der Gruppe der Selbstvertreter:innen der Österreichischen Demenzstrategie, seinem Traum näher sein und am DJ-Pult auflegen. Mit ihm gemeinsam werden alle Mitglieder der Gruppe der Selbstvertreter:innen der Österreichischen Demenzstrategie, unter ihnen auch Angela Pototschnigg, Peer-Beraterin, Mitglied von "Über den Berg kommen", Mitglied der Europäischen Arbeitsgruppe von Menschen mit Demenz bei Alzheimer Europe, und Hilde Kerth beim Demenz Meet anwesend sein. Gemeinsam zeigen sie, dass auch Menschen mit Demenz politisch aktiv sind und gehört werden müssen.

Plattformen für Erfahrungsaustausch und Vernetzung

Das Demenz Meet hat den Anspruch, eine Plattform der Vernetzung, der Information und des Austauschs für betroffene Menschen, An- und Zugehörige, Fachpersonen und alle am Thema interessierten Menschen zu sein. Alle Facetten, die eine Demenzerkrankung mit sich bringt, haben Raum, um ausgesprochen, angesprochen und besprochen zu werden. Vom anfänglichen Schock bis hin zur radikalen Akzeptanz, von der Überforderung bis hin zum "Und trotzdem Ja sagen", vom unweigerlichen Fortschreiten der Erkrankung und der trotzdem bestehenden Hoffnung, dass es doch wieder gut werden wird, bis hin zu den Forderungen betroffener Menschen und pflegender An- und Zugehöriger an die politischen Entscheidungsträger – sie alle haben eine Stimme am Demenz Meet. Die Ergebnisse der Worldcafés, Podiumsdiskussionen und Netzwerkräume der vergangenen Demenz Meets sind auf der Plattform der Demenz Meets zu finden und nachzulesen.

In Österreich werden dieses Jahr, neben Wien am 27. Juni, noch weitere Demenz Meets in Linz und Bregenz stattfinden. Neben den jährlich stattfindenden Demenz Meets gibt es mittlerweile etliche Plattformen, auf denen Vernetzung, Erfahrungsaustausch und Begegnung stattfinden können. Mit dem Café Dementi und dem Café Auszeit hat Virtin Katharina Klee 2020 zwei Onlineformate geschaffen, die mittlerweile über die Grenzen Österreichs bekannt sind. Dreimal wöchentlich, zwischen 16 und 17 Uhr, treffen sich zehn bis zwölf Personen mit und ohne Demenz aus Österreich, Deutschland, Kroatien, der Schweiz und der Türkei, um sich auszutauschen, Daumenyoga zu machen und gemeinsam "Online – mit Anfängergeist" zu sein.

Sowohl Promenz (ab Mai 2024) als auch die IG Pflege, die MAS Alzheimerhilfe oder die Aktion Demenz stellen (online) Plattformen für Menschen mit Demenz, deren An- und Zugehörige, aber auch für Fachpersonen zur Verfügung. Zu unterschiedlichen Themen finden Webinare, Austausch und Vernetzung statt.

Die Bilder der Demenz, die im Bewusstsein der Gesellschaft sind, müssen erweitert werden. Dabei soll nicht der Anspruch entstehen, Erfahrungen zu verklären oder Dinge "schönzureden". Aber manchmal können Ängste durch Hinschauen und Sich-Einlassen auf das, was ängstigt, verändert werden. Lassen Sie sich ein, erweitern wir gemeinsam die Bilder der Demenz. Demenz geht uns alle an. (Marianne Buchegger, 30.4.2024)