Zwei Kühe auf der Weide
In den USA sind zahlreiche Milchkühe mit dem Vogelgrippevirus H5N1 infiziert. Diese Entwicklung muss man schon allein deshalb beobachten, weil das Rind bisher nicht als potenzieller Herd für das Virus galt.
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Die Vogelgrippe geht um – und zwar unter US-amerikanischen Milchkühen. Mittlerweile wurden in acht Bundesstaaten infizierte Kühe festgestellt, die Dunkelziffer ist wohl deutlich höher. Es kam bereits zu einer Übertragung auf den Menschen, in Texas hat sich ein Mann infiziert, DER STANDARD berichtete hier. Nun wurde bekannt, dass sich auch in der Milch Virusbestandteile des Vogelgrippevirus H5N1 befinden – in jeder fünften Supermarktmilchprobe wurden sie nachgewiesen.

Doch ist das gefährlich? Wie wahrscheinlich ist es, dass das Virus auf den Menschen überspringt? Und würde das bedeuten, dass es womöglich eine neue Pandemie gibt? DER STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen.

Frage: Wie ist der aktuelle Stand beim Vogelgrippevirus?

Antwort: Der Virusstamm H5N1 infiziert nicht nur Wildvögel und Geflügel, sondern auch Wildtiere wie Marder, Füchse, Dachse, Nerze und auch Meeressäugetiere wie Seeelefanten. Seit einigen Monaten weiß man, dass sich auch Kühe mit dem Virus infizieren können. Das ist eine neue Entwicklung und sorgt für besondere Aufmerksamkeit in der Fachwelt. Wie es dazu kam, ist nicht klar. Die Kühe sterben im Normalfall nicht an der Infektion – anders als Wildvögel und Seeelefanten –, und sie haben auch keine schweren Symptome. Doch das Virus befindet sich auch in der Milch, wie mittlerweile nachgewiesen wurde.

Frage: Kann man die Milch jetzt nicht mehr trinken?

Antwort: Doch, derzeit bestehe keine Gefahr für den Menschen, betont die US-Gesundheitsbehörde FDA. Das Virus werde durch den Vorgang der Pasteurisierung abgetötet, die zurückbleibenden genetischen Fragmente seien nicht in der Lage, eine Infektion auszulösen. Man testet derzeit in den USA, ob sich infektiöse Viruspartikel überhaupt in Milch anzüchten lassen. Man solle aber Rohmilch ohne Pasteurisierung in den USA auf jeden Fall vermeiden, betont Martin Beer vom Institut für Virusdiagnostik am Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf der Greifswald-Insel Riems. "Sie ist durch den hohen Fett- und Zuckeranteil ein viruskonservierendes Medium."

Frage: Wie wird das Virus unter den Rindern übertragen?

Antwort: Der Infektionsweg dürfte nicht so sehr über die Atemwege gehen, sondern vor allem über das Melkgeschirr. In den Eutern der betroffenen Tiere wurde jeweils eine hohe Viruslast nachgewiesen, so kommen die Viren auch in die Milch. "Weil der Melkvorgang stark automatisiert ist, haben die Melkgeschirre Kontakt zu mehreren Kühen, das dürfte die starke Verbreitung bedingen", erklärt Beer. Das Virus dürfte bereits deutlich länger unter Kühen zirkulieren, als öffentlich bekannt ist, aber durch die eher sporadische Testung in den USA wurde es erst vor kurzem publik – auch deshalb, weil sich in Texas ein Mann mit dem Virus infiziert hat. Genaue epidemiologische Daten fehlen vielfach noch. "Das beunruhigt mich insofern, weil das Rind ein ganz neuer Viruswirt ist. Und das will man eigentlich überhaupt nicht. Ein an Rinder angepasstes Influenza-A-Virus – zu der Familie gehört H5N1 – müssen wir auf jeden Fall verhindern", betont Virologe Beer.

Frage: Wie ist die Lage in Europa?

Antwort: Derzeit ist die Lage noch entspannt, es gibt keine Hinweise auf Infektionen von Milchkühen mit dieser speziellen Variante von H5N1. "Das kann sich aber jederzeit ändern", weiß Martin Schwemmle, Virologe am Universitätsklinikum Freiburg. Die in Europa zirkulierende Virusvariante von H5N1 ist der US-amerikanischen ähnlich, aber nicht ident mit dieser. Die europäische Variante könnte sich aber verändern oder es könnte unabsichtlich kontaminiertes Material importiert werden. "Deshalb ist eine zeitnahe und engmaschige Überwachung der europäischen Tierbestände nötig."

Frage: Kann sich aus dem Geschehen eine neue Pandemie entwickeln?

Antwort: In den USA ist bisher nur eine Infektion eines Menschen mit dem aktuellen Virusstamm bekannt, mit milden Symptomen, und diese erfolgte über eine Kuh. Über eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wurde nichts berichtet. Auch in Asien, wo H5N1 im Jahr 1996 erstmals auftrat und es seither immer wieder virulent ist, kam es bisher nur in Einzelfällen zu einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung. "Eine weitere Ausbreitung des Virus in Form einer Epidemie oder womöglich sogar Pandemie ist deshalb eher unwahrscheinlich", sagt Virologe Schwemmle. Für eine Übertragung auf den Menschen müsse das Virus nämlich einige Hürden überwinden, weil der Mensch eine wirksame angeborene Immunität gegen solche Influenzaviren besitze, ergänzt Virologe Beer. "Doch jeder neuer Säugetierwirt kann das Virus dem Menschen ein Stück näherbringen." Deshalb müsse die Situation intensiv erforscht werden, um im Fall der Fälle gewappnet zu sein. (Pia Kruckenhauser, 30.4.2024)