Matthew Houck handelt seit jeher klassische Countrythemen wie das Gefühl des Unverstandenseins und Alleingelassenwerdens ab.
Matthew Houck handelt seit jeher klassische Countrythemen wie das Gefühl des Unverstandenseins und Alleingelassenwerdens ab. Nichts zu danken, er macht das für uns.
Verve

"Is it ever gonna not be so hard to see you around? / Am I really really really really gonna have to really gonna have to really have to leave town?" Wer sich einmal ein wenig arm und alleingelassen fühlt, sich selbst aber nicht allzu sehr emotional mit dem Verfassen von vor Selbstmitleid triefender Lyrik quälen möchte, dem kann geholfen werden. Hören Sie doch einfach in das 2005 erschienene Album Aw Come Aw Wry von Phosphorescent hinein. Der in Nashville ansässige Songwriter Matthew Houck schmurgelte damals, am frühen Höhepunkt seiner Karriere, im Leiden an sich und der Welt wie ein fettes Bratl in der Rein.

Wir sprechen nicht von Schonkost. Das alles hängt sich schon ordentlich hinein. In der oberösterreichischen Küche wie auch drüben in Nashville in der Countrymusik verwendet man dafür gern Bier. Hierzulande für die Sauce, auf beiden Kontinenten, um aus lauter Kummer in den Hopfensaft hineinzutrenzen. Bei beispielhaften Liedern wie dem zitierten Jahrhundertwerk Joe Tex, These Taming Blues oder Dead Heart oder dem herzzerreißenden Kehraus Endless, Part 1 & 2 geht es mit brüchiger, ins nackte Elend kippender Kopfstimme um eine hoffentlich meist friedlich verlaufende Trauerarbeit. Sie ist als emotionales Entlastungsgerinne angelegt: "Take my feet to the bar / Where I know you at not are." Und: "I've been a mess my whole life / I don't care what happens next/ Endless ..."

Hawaiigitarre und Andachtsjodler

Dazu greint eine Hawaiigitarre zum verwehten Ton einer nicht ganz spursicheren Trompete und stellt Matthew Houck alias Phosphorescent im Chorgesang mit sich selbst den Südtiroler Andachtsjodler nach. Danach ist man fertig. Es geht einem aber wieder besser. Das Weinen hat geholfen.

Nach diesem Klassiker hat Phosphorescent gute und weniger gute Alben veröffentlicht. Hervorgehoben seien etwa Pride, Muchacho oder das exzellente Livealbum Live at the Music Hall. Irgendwann hat man Phosphorescent aber aus den Augen verloren, weil man sich ja an der Theke auch nicht immer nur von denselben drei, vier Leuten anjammern lassen möchte. Schönen Gruß übrigens an Larry und die Haberer aus Moes Taverne!

PhosphorescentVEVO

Mit Revelator ist Matthew Houck nun auf dem legendären Jazz-Label Verve gelandet. Nach den Lockdown-Coverversionen auf The Full Moon Project fühlt sich Phosphorescent aktuell nicht mehr alleingelassen. Gemeinsam mit seiner musikalisch etwas fröhlicher gestrickten Partnerin Jo Schornikow grübelt Phosphorescent lieber über die Enge, Routine und Abnützungserscheinungen von Langzeitbeziehungen nach. Das klingt nicht ganz schlecht. Allerdings wird jetzt aus Gründen der Komfortzone nicht mehr ins Bier geweint – und statt des würdigen Ersatzes Most für die Bratlsauce verwendet unser alter Schmerzensmann mittlerweile auch lieber Apfelsaft. Manchmal klingt in dieser mehr nach Bioladen als Branntweiner klingenden Beziehungsarbeit aber doch noch das alte Jodeln, Greinen und Jammern durch.

Würde das Lied All the Same nicht so sehr nach Paul Simon und Dad-Rock-Formatradio mit Niveau klingen, könnte einen der Fatalismus des Textes immer noch genau so umhauen wie jener des ebenfalls neuen Songs A Poem On the Men's Room Wall: "I traded in thunder / I got only weather." Wahrscheinlich ist Phosphorescent so einer: Wenn es ihm einmal gutgeht, geht es ihm auch nicht gut. (Christian Schachinger, 30.4.2024)