Reiche, Klimawandel, Steuer
Wer mit der Yacht oder dem Privatjet unterwegs ist, verursacht weit höhere CO2-Emissionen. Es sind aber auch Investitionen in klimaschädliche Unternehmen, die den Fußabdruck von Vermögenden wachsen lassen.
EPA/SEBASTIEN NOGIER

Es sind vor allem die Reichen, die dem Klima schaden – und deshalb auch mehr zu dessen Schutz beitragen sollten. Das schreibt Till Kellerhoff, deutscher Staatswissenschafter und Programmdirektor der gemeinnützigen Organisation Club of Rome, in seinem kürzlich erschienenen Buch Tax the Rich. Während die Allgemeinheit immer mehr mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen habe, wachsen bei den Reichsten der Welt nicht nur die Vermögen, sondern auch die Emissionen, so Kellerhoff. Im Interview spricht der Staatswissenschafter darüber, weshalb eine CO2-Steuer allein nicht reicht und wie eine Reichensteuer dem Klima konkret helfen könnte.

STANDARD: Herr Kellerhoff, inwiefern hängen Reichtum und CO2-Emissionen miteinander zusammen?

Kellerhoff: Menschen mit mehr Geld haben einen höheren Konsum und damit einen wesentlich größeren CO2-Fußabdruck. Mit mehr Geld kann man mehr reisen, kann sich größere Häuser kaufen, aber auch mehr Geld in potenziell klimaschädliche Industrien investieren. Die reichsten zehn Prozent der Welt sind für 50 Prozent der Emissionen verantwortlich und das reichste eine Prozent allein für 17 Prozent der Emissionen. In den USA emittieren die reichsten zehn Prozent über 120-mal mehr Emissionen als die unteren 50 Prozent in der afrikanischen Bevölkerung. Es ist wichtig, diese Verteilungsdimension miteinzubeziehen, wenn es darum geht, wer die Kosten der Transformation tragen soll.

STANDARD: In Ihrem kürzlich erschienenen Buch Tax the Rich schreiben Sie, dass diese Ungleichheit auch zu sozialen Kipppunkten führen kann. Welche wären das?

Kellerhoff: Wir haben in den letzten Jahren sehr viel über die ökologischen Kipppunkte im Klimasystem geredet: Wenn man gewisse planetare Grenzen übertritt, kann es sein, dass unumkehrbare Wendungen eintreten und das komplette Klima destabilisiert wird. Was wir momentan sehen, ist, dass es nicht nur ökologische, sondern auch soziale Kipppunkte gibt, wo irgendwas in der Gesellschaft aus den Fugen gerät. Populistische Bewegungen nehmen gerade stark zu. In Deutschland haben wir mit der AfD eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei, die in den letzten Jahren sehr viele Stimmen dazugewonnen hat. Viel davon hängt mit einem Gefühl der Ungewissheit der Zukunft gegenüber und der Ungerechtigkeit unseres Wirtschaftssystems zusammen. In Deutschland beispielsweise sagen über 60 Prozent der Menschen, dass sie das ökonomische System als nicht gerecht empfinden, überproportional die Wählerinnen und Wähler der AfD. Das Gefühl von Ungerechtigkeit ist ein Nährboden für Populismus und für Dysfunktionalitäten der Gesellschaft. Die Transformation, die uns in den nächsten Jahren bevorsteht, wird disruptiv sein. Wir müssen sehr aufpassen, dass sie nicht dazu führt, dieses Klima der Ungerechtigkeit und den aufsteigenden Populismus noch zu befördern, weil Menschen das Gefühl haben, Kosten tragen zu müssen, die sie selbst nicht verursacht haben.

STANDARD: Sie sagen, Reiche müssten mehr von den Kosten für den Klimaschutz tragen. Gibt es nicht bereits viele Vermögende wie beispielsweise Bill Gates, die ihr Geld in den Klimaschutz investieren?

Kellerhoff: Es geht mir nicht um individuelle Schuldzuweisungen, sondern um ein systemisches Problem. Wir haben ein System etabliert, das Reichtum auf eine gewisse Art und Weise verteilt. Es ist super, dass es wohltätige Aktionen gibt und Menschen, die sich für Verbesserungen auf der Welt einsetzen. Aber letztlich geht es darum, dass die Gesellschaft demokratische Kontrolle darüber hat, was mit diesem Reichtum geschieht. Die Aufgabe, unsere Wirtschaft klimafreundlich zu machen, ist so groß, dass wir Staaten und demokratische Gesellschaften brauchen, die diese leisten. Reiche Menschen können einen Beitrag dazu leisten, diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu schaffen, aber wir sollten nicht auf individuelles Wohltätertum vertrauen.

STANDARD: In Ihrem Buch sprechen Sie sich für Reichensteuern aus. Wie könnten diese aussehen?

Kellerhoff: Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Einkommen und Vermögen. Wir haben in vielen Ländern eine hohe Steuer auf Einkommen, aber bisweilen eine sehr niedrige Steuer auf Vermögen. In Deutschland beispielsweise gibt es eine Erbschaftssteuer, die sehr löchrig ist. In Österreich wird gerade über eine Erbschaftssteuer diskutiert, die durchaus umsetzbar wäre und bei der auch eine größere politische Mehrheit dahinterstehen sollte. Eine Erbschaftssteuer bedeutet, das Geld dort zu entnehmen, wo keine direkte Leistung erbracht wurde für Arbeit. Viele Menschen denken bei der Erbschaftssteuer dann immer an Omas Schmuck oder das kleine Elternhaus in Graz. Darum geht es jedoch nicht. Man kann sehr hohe Freibeträge machen, beispielsweise von einer Million Euro, und danach aber eine progressive Besteuerung einführen.

Darüber hinaus gibt es andere Möglichkeiten wie eine Vermögenssteuer. In Deutschland hatten wir im Jahr 1952 eine Vermögensabgabe, wo die Menschen, die im Krieg weitestgehend verschont blieben, über eine Zeit von 30 Jahren bis zu 50 Prozent ihres Vermögens abgeben mussten. Das sollte jenen helfen, die viel verloren haben. Das eindeutige Ziel damals war es, die gesellschaftliche Kohärenz aufrechtzuerhalten, ein Gefühl von Fairness zu etablieren und sicherzustellen, dass sich Menschen nicht ausgestoßen fühlen. Gerade jetzt, wo wir mit der Klimakrise, den Auswirkungen einer globalen Pandemie und geopolitischen Spannungen eine Polykrise erleben, ist es an der Zeit, auch wieder über so eine Art Lastenausgleich zu diskutieren.

Klimaschutz, Reiche, Kellerhoff
Klimaschutz sei nur durch soziale Akzeptanz möglich, sagt der Staatswissenschafter Till Kellerhoff.
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STANDARD: Viele Menschen haben sich dieses Vermögen ihr Leben lang erarbeitet. Untergraben solche Steuern nicht die Leistungsbereitschaft vieler Menschen?

Kellerhoff: Schön wär's, wenn man in unseren Gesellschaften momentan wirklich durch Leistung und durch den American Dream dieses Vermögen aufbauen könnte. Das ist aber nicht der Fall. Extremer Reichtum entsteht vor allem durch Erbe. In Deutschland werden 60 Prozent des Vermögens vererbt. Das heißt, man hat eine Reproduktion dieses Vermögens innerhalb bestimmter Familien, ohne dass man von außen reinkommt. Das Argument, Leistung muss sich lohnen und Chancengleichheit muss gewährleistet werden, finde ich sehr gut. Aber diese sehr geringe Besteuerung bewirkt eher das Gegenteil, nämlich eine Vermögendenklasse zu erschaffen von Menschen, die sich aufgrund ihrer Erbschaft nicht anstrengen müssen, nichts leisten müssen, wenn sie nicht wollen. Und das ist genau das Gegenteil von der Leistungsgesellschaft, die wir eigentlich haben wollen.

STANDARD: Wäre eine Vermögenssteuer nicht mit hohen bürokratischen Mehrkosten verbunden?

Kellerhoff: Man muss zuerst einmal schauen, wer wie viel hat, Gebäude bewerten und schauen, ob jemand ein Gemälde von van Gogh an der Wand hängen hat. Das ist nicht so einfach. Die administrative Hürde wird jedoch manchmal ein bisschen übertrieben. Man könnte noch vor einem Vermögensregister Selbsteinschätzungen gemeinsam mit Steueranwälten vornehmen, die stichprobenartig überprüft werden. Und wenn das reale Ergebnis stark abweicht, sind Strafen fällig. Es gibt inzwischen relativ viele Studien, die zeigen, dass wir mit einer globalen Mindeststeuer für die 3000 reichsten Menschen bis zu 250 Milliarden Euro erzielen könnten.

STANDARD: Würden Vermögende ihr Geld nicht einfach in sicheren Häfen parken, wo dieses von solchen Steuern nicht angetastet wird?

Kellerhoff: Das ist eine Gefahr, die wir auch bereits gesehen haben. Norwegen hat vor ein bis zwei Jahren die Vermögenssteuer erhöht, woraufhin tatsächlich einige Milliardäre in die Schweiz gegangen sind. Da wurde entgegengewirkt mit einer sogenannten Wegzugsteuer. Das heißt, dass man versucht hat, Kapital am Auszug aus dem Land zu begrenzen. Es gibt also Gegenmaßnahmen. Bei der Vermögensbesteuerung ist eine internationale Koordinierung wichtig. Aber es ist kein gutes Argument zu sagen, man versucht es gar nicht oder man führt es gar nicht ein auf der Ebene der Nationalstaaten. Denn selbst wenn einige Leute mit gewissem Kapital das Land verlassen, ist es sicherlich nicht das Ende der österreichischen Wirtschaft.

STANDARD: In Österreich warnte das industrienahe Institut Eco Austria kürzlich davor, dass Vermögenssteuern zu einem großen Jobverlust in Österreich führen würden, da sie Investitionen behindern würden.

Kellerhoff: Das sind Argumente, die immer wieder vorgebracht werden, die aber empirisch nicht nachweisbar sind. In den letzten Jahren und Jahrzehnten kam es zu einer massiven Vermögenskonzentration an der Spitze, aber nicht damit einhergehend zu mehr Innovation, Lohn, Wachstum oder Produktivität. Stattdessen haben Unternehmen mit ihrem Gewinn Rücklagen gebildet oder massiv eigene Aktien zurückgekauft, was letztendlich überhaupt keine Investitionen in die Realwirtschaft sind, sondern vor allem den Aktionärswert erhöhen sollen. Bei einer richtigen Ausgestaltung von Vermögensbesteuerung kann sehr gut sichergestellt werden, dass Investitionen in Unternehmen leistbar sind, aber eben gewisse Gewinne darüber hinaus abgeschöpft und dadurch der Gemeinschaft wieder zur Verfügung gestellt werden können. Das Geld verschwindet nicht, sondern wird in Unternehmen gesteckt, die sich der klimaneutralen Transformation unserer Wirtschaft widmen, wo auch wieder Arbeitsplätze und Produktivität entstehen.

STANDARD: Die Einnahmen aus diesen Steuern sollten also zweckgebunden in den Klimaschutz fließen?

Kellerhoff: Wir wissen, dass wir im Kampf gegen den Klimawandel eine sehr schnelle Transformation der Wirtschaft brauchen, die massive Kosten verursacht. Global gehen wir davon aus, dass es ungefähr zwei bis vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich wären, um die Wirtschaft dahingehend umzustellen, dass genügend Solarpaneele, Wasserstoffanlagen, Windkraftanlagen und Stromnetze aufgebaut werden. Diese Mehreinnahmen sind notwendig, vor allem für die Klimatransformation, aber auch für andere Zwecke. Die genaue Ausgestaltung ist dann eine Detailfrage.

STANDARD: Staaten stecken momentan noch sehr viel Geld in klimaschädliche Subventionen, wie Umweltschützer kritisieren. Wäre da nicht schon genug Geld vorhanden, das man stattdessen in eine klimafreundliche Transformation investieren könnte?

Kellerhoff: Auf jeden Fall. Die Zahlen sind enorm, und es gibt einige klimaschädliche Subventionen, die sofort abgeschafft gehören, beispielsweise die Steuerbefreiung von Kerosin oder das Dienstwagenprivileg. Es gibt aber auch gewisse Subventionen, die, wenn sie sofort abgeschafft werden, zu sozialen Schieflagen führen können. Wenn beispielsweise Kraftstoffe in Ländern des Globalen Südens subventioniert werden, um Landwirtschaft zu betreiben, sollte man aufpassen, dass das nicht sofort abgeschafft wird. Aber auch innerhalb von reichen Ländern muss man schauen, dass nicht die Bevölkerung auf dem Land, die auf ihr Auto angewiesen ist, weil wir es in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht hingekriegt haben, eine anständige Infrastruktur aufzubauen, diejenige ist, die als Erstes davon betroffen ist. Weil dann führt das wieder zu einer Polarisierung.

STANDARD: Es gibt in Österreich schon seit einiger Zeit eine CO2-Steuer. Zahlen reiche Menschen, die klimaschädlicher leben, dadurch nicht ohnehin schon mehr?

Kellerhoff: Menschen mit mehr Konsumausgaben zahlen auch höhere CO2-Preise, haben also insgesamt eine höhere Belastung. Viele Menschen, die ein geringes Einkommen haben, geben hingegen relativ gesehen einen höheren Anteil für Dinge wie Nahrungsmittel, das eigene Auto oder die Heizung aus. Es sind diejenigen, die eine solche Besteuerung am meisten spüren, während es reicheren Menschen vielleicht egal ist, ob ein Liter Benzin jetzt zwei oder sechs Euro kostet. Preismechanismen wie ein CO2-Preis sind wichtig. An gezielten Subventionen und Förderungen für die ökonomisch Schwächeren in der Gesellschaft kommen wir trotzdem nicht herum. Ein CO2-Preis, der wirklich wirksam ist, müsste sechs- bis achtmal höher sein als momentan. Und ehrlicherweise sehe ich dann schon irgendwelche Politiker Selfies an Tankstellen machen, die sagen, mit uns geht der Preis nicht weiter in die Höhe.

STANDARD: Könnte es auch eine Steuer auf Luxusgüter geben, wie sie Forschende immer wieder vorschlagen?

Kellerhoff: Eine solche Steuer wäre sehr sinnvoll. Man muss dann aber definieren: Was genau ist Luxuskonsum, und wie differenziert kann man ein Steuersystem ausgestalten, sodass es trotzdem noch fair bleibt? Ich glaube, die Debatte ist wichtig, und dem sollte man sich öffnen. Diese Luxusbesteuerung kann ein Aspekt sein, aber wir müssen auch wieder mehr über staatliches Handeln und staatliche Subventionen reden.

STANDARD: In Ihrem Buch schreiben Sie auch über den Alaska Permanent Fund im US-Bundesstaat Alaska. Worum geht es dabei genau?

Kellerhoff: Der Alaska Permanent Fund ist ein interessantes Konzept, weil es darum geht, zu sagen, dass es irgendwas zwischen privatem und öffentlichem Nutzen gibt, nämlich die sogenannten Global Commons – die Gemeingüter, die allen Menschen auf der Erde gehören. Das sind Wälder, die Meere, die Atmosphäre. Unternehmen, die sich an diesen Gemeingütern der Erde bedienen, das heißt, auf fossile Energie setzen oder die Wälder roden, zahlen Geld in einen sogenannten Citizen Fund ein. Von diesem Bürgerfonds wird das Geld wieder gleichmäßig an alle Menschen innerhalb des Landes verteilt. Mit einer solchen Grunddividende sollen die gesellschaftlichen Auswirkungen der Klimatransformation ein bisschen abgefedert werden. Es soll aber kein Ersatz für Sozialpolitik sein, wie es teilweise bei Silicon-Valley-Vorschlägen fürs Grundeinkommen genutzt wird, sondern den Menschen als zusätzliches Element aus dem Verbrauch der globalen Gemeingüter etwas zurückgeben.

STANDARD: Kann eine solche Klimatransformation überhaupt noch gelingen?

Kellerhoff: Wir sehen viel Bewegung in der Welt, aber ehrlicherweise in beide Richtungen. Wir sehen, dass China massiv in Solarpaneele investiert, dass in Norwegen inzwischen 70 Prozent der Zulassungen von Autos E-Autos sind und dass auch in vielen anderen europäischen Ländern gute Maßnahmen getroffen werden. Gleichzeitig wissen wir nicht, wer im November im Weißen Haus sitzt, ob wir in Deutschland eine Zunahme der rechtsextremen Politik haben oder welche Verrückte in Argentinien Präsidenten werden. Die Anstrengungen müssen jedenfalls enorm sein. Gelingen kann das nur, wenn die Maßnahmen, die wir treffen, auf soziale Akzeptanz stoßen. Klimaschutz ist keine technische Frage, sondern vor allem eine Frage der sozialen Akzeptanz. Wichtig ist, dass wir mit einem positiven Narrativ in die Zukunft gehen. Es geht nicht nur darum, die Apokalypse abzuwehren, sondern darum, ein faires, glücklicheres Leben für Menschen im Land zu schaffen, was dann auch noch innerhalb der planetaren Grenzen des Planeten stattfinden kann. Dass man die Menschen mitnimmt und die Transformation nicht als Kosten sieht, sondern als den Aufbruch in eine neue Zukunft. (Jakob Pallinger, 1.5.2024)