Ralf Rangnick blickt in die Kamera.
Ralf Rangnick bleibt ÖFB-Teamchef.
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München/Wien – Es war der Vormittag des 1. Mai, am späten Nachmittag stand im Wörthersee-Stadion das Cupfinale zwischen Sturm Graz und Rapid an. Ralf Rangnick war bereits am Vortag nach Klagenfurt gereist, wohlwissend, dass er das Theater um seine Person bald beenden und aus der Dauerschleife ausbrechen muss. Bayern München hatte zuletzt immer wieder kundgetan, die Bestellung des österreichischen Teamchefs zum neuen Cheftrainer stehe kurz vor dem Abschluss, lediglich Details seien noch zu klären.

Rangnick hatte die sehr konkreten Verhandlungen nicht abgestritten. Deutsche Medien, seriöse wie weniger seriöse, lechzten nach dem Vollzug, Summen wurde genannt. An diesem Vormittag hat sich der 65-jährige Deutsche entschieden. Er bleibt in Österreich. Am Nachmittag hat er die Bayern darüber informiert, Sportvorstand Max Eberl, Sportdirektor Christoph Freund und andere Involvierte sollen mit der Absage nicht unbedingt gerechnet haben, möglicherweise litten sie an Schnappatmung. Es wurde Stillschweigen vereinbart, Rangnick gab dem ORF im Vorfeld des Finales kein Interview, auch von einer Pressemitteilung wurde abgesehen. Die Bayern durften dann am Donnerstagvormittag mit der für den österreichischen Fußballbund ÖFB hocherfreulichen Botschaft an die Öffentlichkeit gehen. "Rangnick hat abgesagt."

Stolz und Freude

Um 9.57 Uhr teilte der ÖFB in einer Aussendung mit: "Ralf Rangnick hat sich entschieden! Der 65-Jährige wird über die Europameisterschaft 2024 hinaus Teamchef bleiben." Rangnick wurde wie folgt zitiert: "Ich bin mit vollem Herzen österreichischer Teamchef. Diese Aufgabe macht mir unglaublich viel Freude, und ich bin fest entschlossen, unseren eingeschlagenen Weg erfolgreich weiterzugehen. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass das keine Absage an den FC Bayern ist, sondern eine Entscheidung für meine Mannschaft und unsere gemeinsamen Ziele. Unsere volle Konzentration gilt der Europameisterschaft. Wir werden alles unternehmen, um dort so weit wie möglich zu kommen." Verbandspräsident Klaus Mitterdorfer ist entzückt: "Wir freuen uns sehr über diese Entscheidung und das klare Bekenntnis zu einer gemeinsamen Zukunft. Wir waren immer sehr zuversichtlich, dass das Herz und der Teamspirit, aber auch die Gestaltungsmöglichkeiten sehr gute Argumente sind." Sportdirektor Peter Schöttel pflichtet dem Boss bei. "Wir sind stolz."

Video: Ralf Rangnick bleibt ÖFB-Nationalteam als Teamchef treu
APA

Der Verband hat alles richtig gemacht, Rangnick nicht unter Druck gesetzt, ihm die Zeit gegeben, die er gebraucht hat. Im Falle eines Abgangs wäre eine Ablöse fällig geworden, gemunkelt wurde über rund zehn Millionen Euro, aber das hat sich jetzt erübrigt. Rangnick-Vertraute sind nicht verblüfft. Sie bestätigen Rangnicks Kampf mit sich selbst, er war wochenlang im Wiglwagl. Geld spielte bei den Überlegungen tatsächlich keine Rolle. Bei den Bayern hätte er mehr als das Zehnfache kassiert. Wuscht, die Entscheidung haben der Bauch, das Herz getroffen. Mit Einverständnis des Hirns. Der Vermögensberater hielt sich raus, wurde nicht einmal gefragt. Rangnick wusste zudem, dass die EM im Falle eines Wechsels zum Desaster hätte werden können. Mit Rangnick als Sündenbock.

Rose will auch nicht

Die Bayern stehen jetzt ein bisserl blöd da, zuvor hatten Xabi Alonso und Julian Nagelsmann abgesagt. Irgendwer wird sich schon erbarmen, das Spielchen geht weiter, Roberto De Zerbi (Brighton & Hove Albion), Zinédine Zidane (vereinslos), Hansi Flick (vereinslos) und Martin Demichelis (River Plate) werden vielleicht gefragt oder angefleht. Einen Anruf bei Leipzig-Trainer Marco Rose kann sich Eberl sparen. "Ich glaube, der FC Bayern kommt ganz gut ohne Marco Rose zurecht", sagte der 47-jährige Rose. "Manchmal ergeben sich Situationen im Fußball, die ein bisschen verzwickt und vertrackt sind. Der Markt, in dem wir über den FC Bayern reden, ist nicht so einfach. Trotzdem bin ich mir sicher, dass man eine gute Lösung finden wird."

Großkader nominiert

In Österreich herrscht derweil entspannte Ruhe und große Freude. Rangnicks hat einen Vertrag bis nach der WM-Qualifikation 2025. Sollte die Teilnahme an der Endrunde in Kanada, USA und Mexiko geschafft werden, verlängerte er sich bis 2026 und vielleicht darüber hinaus. Am 21. Mai 2024 gibt Rangnick in Wien seinen Großkader für die EM in Deutschland, die am 14. Juni beginnt, bekannt. Vertraute versichern, dass er seit dem Vormittag des 1. Mai mit sich im Reinen ist. (Christian Hackl, 2.5.2024)

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